Ivan Mrkonjic ist seit 26 Jahren Teil des Fußballs beim TSV Großen- Linden. Erst als Spieler und jetzt als Trainer. Er hat den Weg von der Landesliga bis zur A-Liga miterlebt - und auch sonst viel zu erzählen.

Als wir nach über einer Stunde das erste Mal auf die Uhr schauen, durchfährt mich ein kleiner Schock: Schon 19 Uhr! Das Gespräch im Vereinsheim des TSV Großen-Linden ist etwas ausgeufert. Ivan Mrkonjic ruft kurz bei Co-Trainer Max Dörfler an, denn soeben beginnt das Training. »Die sollen schon mal anfangen. Ich komm’ gleich nach.« Wir haben uns verquatscht. Zurecht. Denn Ivan Mrkonjic kann erzählen, über Weggefährten, Prinzipien und Spiele - fast 500 sind es für den TSV Großen-Linden. »Unser Statistiker Holger Luh meinte letzten Freitag zu mir, es sind 497«, sagt Mrkonjic. Aber die 500 wolle er noch voll machen, vielleicht in der Vorbereitung, ein paar Minuten Einsatzzeit würden ja reichen. Eigentlich spielt Mrkonjic aber nicht mehr. Als er vor zwei Jahren die erste Mannschaft als Trainer übernahm, war das nicht der Plan. »Wenn die Jungs da viel trainieren, muss ich mich ja nicht mit 43 Jahren einsetzen«, sagt er. Nur wenn Not am Mann ist springt er mal ein.


Als Großen-Linden noch ein Brett war...

Das war lange anders. 1994 kam Mrkonjic nach Großen-Linden. Zwei Jahre später übernahmen seine Eltern das Vereinsheim des TSV, woraufhin er in die A-Jugend des Clubs gelangte. Und dann ging es weiter zu den Männern. Großen-Linden war damals noch ein Brett im Gießener Fußball: Die erste Mannschaft spielte in der Landesliga, die zweite in der A-Klasse. »Das war noch mal komplett was anderes. Da waren 300, 400 Zuschauer hier auf dem Sportplatz. Im Kader für die erste und zweite Mannschaft hattest du 50 Leute. Das kann man gar nicht mehr mit heute vergleichen«, erzählt Mrkonjic. Er selbst spielte die meiste Zeit in der zweiten Mannschaft. »In der Landesliga hätte ich das spielerisch nicht geschafft«, sagt er. Vielleicht habe auch ein wenig der Ehrgeiz gefehlt. Oder die Geselligkeit, das Bierchen nach dem Training am Donnerstag waren wichtiger als der Leistungsgedanke der oberen Klassen. Aber spielen wollte der heute 43-Jährige schon: »Für mich war der Donnerstagabend immer der schönste. Da war das Abschlusstraining vorm Wochenende, da wurde der Kader benannt. Da hast du dich schon mittags gefreut und die Tasche im Auto gehabt, sodass du am Abend Gas geben kannst.« Und man war jung, sei samstagabends weggegangen, um den Sonntag darauf zu spielen. »Wobei ich das heute bei meinen Spielern hasse, also da würde ich hochgehen, wie ein HB-Männchen«, fügt Mrkonjic nicht ohne Humor an. Den Trainerposten in Großen-Linden übernahm er erstmals mit Anfang 20. Das Intermezzo war schon nach einem Jahr vorüber - Mrkonjic war überfordert mit der Aufgabe, seine gleichaltrigen und älteren Spieler, die er teilweise noch aus der Jugend kannte, zu trainieren. Erst mit 30 Jahren, als er die zweite Mannschaft als Spielertrainer übernahm, wurde aus Mrkonjic ein Trainer. Mit einer Unterbrechung trainierte er die Reserve anschließend, bis Großen-Linden vor drei Jahren die erste Mannschaft zurückzog. Seitdem stellt der TSV nur noch ein Team, welches Mrkonjic trainiert. Nach dem Rückzug aus der Kreisoberliga wegen akutem Spielermangel war Mrkonjic derjenige, der eine neue Mannschaft zusammenstellte. »Der Verein wusste, dass ich einen guten Draht zu den Spielern habe, die noch da sind. Und der Verein wusste auch, dass die Spieler, wenn ich bleibe, auch bleiben«, erklärt Mrkonjic wie es zu seinem Trainerjob bei der ersten Mannschaft kam.


Stimmung wichtiger als Erfolg...

Einen Trainerschein hat er bis heute nicht. Erst ab der Gruppenliga ist das im Fußball Pflicht. Er habe schon immer einen machen wollen, es aber zeitlich nicht geschafft, erzählt der Lindener. Die Einheiten plane er oft mithilfe des DFBnets und auf Basis der Erfahrung, die er als Spieler gemacht habe. Auf die Frage, welche Prinzipien ihm als Trainer wichtig sind, führt Mrkonjic allerdings keine Taktik auf, sondern Harmonie. »Für mich ist es wichtiger, dass wir am Sonntag mit einer guten Stimmung vom Platz gehen, als dass wir Tabellenerster sind.« Die Spieler seien keine Profis, keiner verdiene damit Geld. Auch in der jetzigen Saison - der TSV hat nach gutem Saisonstart zuletzt sieben Mal in Folge verloren - habe er keine Mühe, die Laune oben zu halten. Und noch etwas ist dem 43-Jährigen wichtig: Absagen vor dem Training, wenn möglich per Anruf, nicht per WhatsApp, schon gar nicht durch einen Klick in einer Team-Management-App. »So eine App hatte ich mal ein Jahr, dann habe ich sie wieder gelöscht«, sagt er. Auch jetzt, 26 Jahre nach seinem Beginn bei Großen-Linden, pflegt Mrkonjic noch Kontakte zu Spielern aus der Anfangszeit: Ümit Komac, Rudi Hassler, Udo Schömann. Bei den Alten Herren des TSV Großen-Linden kickt man regelmäßig zusammen, spielt auch Turniere. Abseits des Fußballs ist Mrkonjic verheiratet und Vater zweier Töchter, beide spielen Basketball. Mit seiner Frau, sagt Mrkonjic, habe er Glück: »Sie akzeptiert, dass ich viel Zeit in den Fußball investiere. Sonst wäre das alles nicht möglich.« Sich selbst sieht Mrkonjic als bodenständigen Typ und »niemanden der schnell geht«. Anfragen von anderen Vereinen seien mal da gewesen, auch zwei, drei Probetrainings. Das habe ihm aber nicht zugesagt. Er ist in Linden geblieben und nennt dafür auch einen einfachen Grund: »Ich habe mich nie unwohl gefühlt.

 

Quelle: https://www.giessener-allgemeine.de/sport/lokalsport/der-dauerbrenner-92846642.html